Wegen ihrer vielfältigen Topografie und den geografischen Eigenheiten ist die Schweiz besonders vielen unterschiedlichen Naturgefahren ausgesetzt. Mit dem Klimawandel nehmen Naturereignisse auch in der Schweiz an Intensität und Häufigkeit zu. Diese gefährden nicht nur uns Menschen, sondern verursachen auch jedes Jahr Schäden an Gebäuden in dreistelliger Millionenhöhe. Deshalb ist es besonders wichtig, mögliche Gefahren zu erkennen und zu wissen, wie man sich davor schützen kann.
Die aufgeführten Beispiele geben Einblicke in Naturereignisse der letzten Monate und Jahre.
Schweiz, April 2025: Das Wetter spielt verrückt. Zuerst fiel über Wochen vor allem auf der Alpennordseite und im Wallis sehr wenig Niederschlag, bis dann am 16. April ein Tief das Wallis, das Tessin und das Berner Oberland heimsuchte und extreme Niederschläge brachte.
Bereits im Februar fiel in der Schweiz − vor allem auf der Alpennordseite und im Wallis − verhältnismässig sehr wenig Niederschlag. Im gleichen Tenor ging es bis Mitte April weiter, denn immer wieder blockierten Hochdruckgebiete mit Westwinden über Mittel- und vor allem Nordeuropa das Einfliessen feuchter Luft.
Von Mitte März bis Mitte April war das Wetter durch eine sogenannte Omega-Lage bestimmt. Diese Lage wird so benannt, da die Zeichnung des Hochs und der Tiefdruckgebiete auf den Wetterkarten dem griechischen Buchstaben Omega gleichen. Westlich und östlich vom Hoch befinden sich Tiefdruckgebiete. In unserem Fall lag das Hoch tendenziell eher nördlich der Schweiz und somit blies auf der Alpennordseite häufig die Bise, was dazu beitrug, dass der Boden austrocknete. Es wurde vielerorts so trocken, dass Waldbrandgefahr herrschte. So wurde in einigen Regionen der Schweiz wie zum Beispiel im Kanton Uri oder St. Gallen die Stufe 4 – grosse Waldbrandgefahr - ausgerufen, in anderen Regionen der Ostschweiz galten die Stufe 3 und 2. Eindrücklich waren auch die tiefen Wasserstände einiger Schweizer Seen und Flüssen. So lagen etwa am Bodensee die Boote auf dem Trockenen.
Mitte April zog das wetterbestimmende Hoch nach Osten und ein Tief mit Zentrum über dem Nordmeer erstreckte sich bis zur Iberischen Halbinsel. Als sich dieses weiter nach Osten bewegte, schnürte sich der untere Teil des Tiefs ab und zog über das Mittelmeer. Dort konnte sich das Tief neu regenerieren und sehr viel feuchte Meeresluft aufnehmen. Diese wurde mit den südlichen Winden an den Alpen gestaut. Vom 15. bis 17. April fiel von den südlichen Walliser Tälern bis zum Berner Oberland sehr viel Niederschlag. Die Schneefallgrenze sank bis in die Täler. Dieses Phänomen nennt man Niederschlagsabkühlung.
Damit Schnee schmilzt, braucht es Energie, diese entnimmt die Luft ihrer Umgebung in Form von Wärme. Durch das Schmelzen der Schneeflocken sinkt die Temperatur und die Schneefallgrenze sinkt immer weiter. Die enorme angekündigte Niederschlagsmenge fiel als Schnee bis in die Täler.
Vielerorts fiel der Schnee auf Bäume, die bereits voll im Laub standen. Durch die grosse Last brachen viele Äste. Einige fielen dabei auf Stromleitungen, was dazu führte, dass Verkehrswege unterbrochen wurden. Viele Orte im Wallis und im Berner Oberland waren ohne Strom und von der Aussenwelt abgeschnitten.
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Verwünstung in Brienz BE nach Murgang
Brienz BE, 12.8.2024: Ein heftiges Gewitter verwandelt den Mühlebach innert Kürze zu einem reissenden Fluss. Die Kraft des Wassers hat eine zehn Meter tiefe Schlucht ins Bachbett gerissen und bis zu 300 Tonnen schwere Gesteinsblöcke in Bewegung gesetzt.
Eine Gewitterzelle verharrt über dem Einzugsgebiet des Mühlebachs. Der intensive Niederschlag führt zu Rutschungen und Hangmuren. Ursprünglich wurde erwartet, dass die tonnenschweren Felsblöcke aufgrund ihrer schieren Grösse nicht bewegbar sind und deshalb das Bachbett stabilisieren. Doch die Annahme erwies sich als falsch.
Das mitgeführte Geschiebe, bestehend aus Stein- und Felsbrocken sowie Holz, führte dazu, dass ein Sammler oberhalb des Dorfes überfüllt wurde und das Geschiebe unkontrolliert ins Dorf floss. Der Wasserabfluss betrug 35 – 45 m³/s, das sind 250 vollen Badewannen pro Sekunde. Dazu kam Geschiebe von 65’000 m³, was einem Güterzug mit 865 Waggons entspricht. Die Ablagerungen erreichten Höhen von bis zu 8 Metern.
70 Personen wurden aus ihren Häusern evakuiert. Zwei Personen wurden leicht bis mittelschwer verletzt. Viele Gebäude waren einsturzgefährdet. Parkierte Fahrzeuge wurden beschädigt, Bahn- und Schiffsverbindungen wurden unterbrochen und auch die Durchfahrt durch Brienz war unterbrochen.
Die Räumungsarbeiten dauerten rund drei Monate. Das Gerinne des Mühlebachs wurde provisorisch wiederhergestellt und ein Notdamm errichtet. Der Bahnverkehr wurde Ende November wieder aufgenommen. Brienz BE plant nach den Unwettern im Sommer, den Mühlebach umzuleiten. Dieser soll künftig am Dorfrand fliessen. Für die Umleitung des Bachs muss mindestens ein Wohnhaus weichen. (Stand Januar 2024)
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Siders VS, 29./30.06.2024: In der Nacht auf Sonntag, 30. Juni 2024, trat die Rhone in Siders über die Ufer. Innert weniger Stunden wurden das Wohnquartier Sous-Géronde und ein nahegelegenes Industrieareal überflutet. Die Wassermassen verwüsteten eine Aluminiumfabrik, drangen in Wohnhäuser ein und rissen Fahrzeuge mit sich. Familien mussten mitten in der Nacht evakuiert werden. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt.
Die Ursachen für das Hochwasser lagen in einer gefährlichen Kombination aus starkem Regen und intensiver Schneeschmelze. Bereits seit dem Frühling hatte es immer wieder geregnet, die Böden waren stark gesättigt. Im Juni 2024 kam es zu mehreren Gewittern mit Starkregen – besonders heftig am Wochenende vom 29. und 30. Juni. Gleichzeitig setzte durch hohe Temperaturen auf über 4000 m ü. M. eine intensive Schneeschmelze ein. Viele Flüsse schwollen rasant an. Die Abflussmengen erreichten an einigen Orten neue Messrekorde.
In Siders strömte Wasser in angrenzende Quartiere und verursachte grosse Schäden an Gebäuden, Strassen und Kulturland. Die Schäden an der Rhone im Wallis wurden auf mehrere Millionen Franken geschätzt. Die Aufräumarbeiten dauerten Wochen.
Hochwassergefahr gehört im Wallis seit jeher zum Alltag. Bereits
im 19. Jahrhundert versuchte man mit der ersten Rhonekorrektion den Fluss zu
kanalisieren und mit Dämmen zu bändigen. Heute verfolgt man mit der dritten Korrektion
einen anderen Ansatz: Die Rhone soll mehr Platz erhalten, um Fluten besser
aufzunehmen. Das umfassende Schutzprojekt erstreckt sich über 162 km von
Gletsch im Obergoms bis zum Genfersee. Die Umsetzung ist anspruchsvoll – viele Akteure
sind in diesem Generationenprojekt involviert und vertreten unterschiedliche
Interessen.
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Schweiz, 31.3.2023: Am späteren Nachmittag entgleisten aufgrund des tobenden Sturms Mathis zwei Regionalzüge, dabei gab es mehrere Verletzte.
Das Sturmtief Mathis zog von den Britischen Inseln über Deutschland zur Nordsee. Die Schweiz lag an dessen Südrand in einer zügigen Westwindströmung, die vor allem am Nachmittag zu Orkanböen führte.
Bereits am Vormittag machte sich Mathis mit stürmischen Böen um 70 km/h bemerkbar. Am Nachmittag wurde der Sturm dann stärker, da lagen die Windgeschwindigkeiten zwischen 100 und 120 km/h. Bei der Messtation im Koppigen wurde sogar eine Böe von über 130 km/h registriert.
Kurz vor 17 Uhr war der Wind lokal offenbar so stark, dass er in der Nähe von Büren zum Hof einige Wagons des Regionalzuges Bern Solothurn RBS zum Entgleisen brachte. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, eine Person sogar schwer. Auch im Berner Seeland in der Nähe von Lüscherz hob der Sturm den hinteren Zugteil eines Regionalzuges aus den Gleisen. Bei diesem Unfall wurden drei Personen verletzt.
Nicht immer führen Stürme dazu, dass Züge entgleisen. Damit dies
geschieht müssen mehrere Faktoren zusammenpassen. Zum Beispiel kann der Wind lokal
noch stärker gewesen sein, als dieser an den umliegenden Messtationen gemessen
wurde. Auch die Windrichtung spielt eine Rolle: Diese muss optimal zum
fahrenden Zug gewesen sein, damit die Kraft des Windes gross genug war, den Zug
zum Kippen zu bringen. Doch auch wenn die Züge in ihren Schienen bleiben, ist
es eindrücklich, welche Kräfte die Natur hervorbringen kann.
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Kandersteg BE, 23.02.2023: An einem Donnerstagnachmittag erschraken viele Bewohner und Besucher in Kandersteg wegen eines lauten Grollens. An der Allmenalp ereignete sich ein Felssturz. Eine riesige Staubwolke breitete sich über den westlichen Teil von Kandersteg aus.
Der Abbruch an der 500 Meter hohen Felswand war erwartet. Bereits seit Dezember 2022 war das Gebiet rund um die Allmenalpbahn aus Sicherheitsgründen gesperrt. Geologen und Naturgefahrenfachpersonen hatten festgestellt, dass sich der Fels zunehmend in Bewegung setzte. Der Wechsel zwischen warmen und niedrigen Temperaturen förderte diese Entwicklung zusätzlich. Am Nachmittag des 23. Februars 2023 brachen schliesslich 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Gestein ab und donnerten ins Tal. Mit dem abgestürzten Material könnte man locker über 100 Schulzimmer füllen!
Die Behörden hatten frühzeitig Vorsichtsmassnahmen ergriffen: Das Gefahrengebiet wurde abgesperrt und Sicherheitshinweise aufgestellt. Nicht immer halten sich Personen an diese Hinweise: Kurz vor dem Felssturz wurden Personen im Sperrgebiet gesichtet. Glücklicherweise verliessen diese das Gebiet rechtzeitig und die Menschen in Kandersteg kamen mit dem Schrecken davon. Auch Gebäude wurden nicht beschädigt.
Felsstürze sind in Kandersteg bekannt. Am «Spitze Stei» auf der anderen Talseite, oberhalb des Oeschinensees, ist eine noch viel grössere Bergflanke in Bewegung. Auch dort gab es bereits Abbrüche von bis zu 15'000 Kubikmeter Fels. In Zukunft könnten sogar 100'000 bis zu einigen Millionen Kubikmeter abbrechen! Der Fels am «Spitze Stei» ist in Bewegung und wird deshalb laufend überwacht. Zurzeit verschiebt sich der Fels um mehrere Meter pro Jahr. Die Gemeinde Kandersteg informiert regelmässig über die Gefahrenlage: https://www.gemeindekandersteg.ch/spitze-stei
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